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Was MRT-Bilder über uns verraten: KI im Dienst der individuellen Diagnose und Begutachtung

Künstliche Intelligenz (KI) kann auf Basis von MRT-Bildern individuelle Aussagen über Diagnosen, kognitive Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsmerkmale treffen, wie Wissenschaftlerteams des Forschungszentrums Jülich gemeinsam mit dem Institut für Systemische Neurowissenschaften der HHU Düsseldorf zeigen [1,2]. Sogar die individuelle Abschätzung von Prognose und Verlauf einer neurologischen Erkrankung scheint durch den Einsatz von KI bei der Analyse der Bildgebung möglich zu werden [1,2]. „Das Potenzial der neuen Verfahren für die frühe Diagnose und Therapie ist enorm“, sagt Prof. Dr. Simon Eickhoff, Direktor des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich und Leiter des Instituts für Systemische Neurowissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Anlässlich des Kongresses für Klinische Neurowissenschaften der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e. V. beleuchtet er den aktuellen Stand der Technik, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen. „Ziel ist es, eine leistungsfähige und sichere KI für die individualisierte Diagnostik zu entwickeln. Dazu müssen wir auch ethische und rechtliche Fragen transparent diskutieren", betont der Experte.

Menschen unterscheiden sich nicht nur äußerlich, sondern auch in ihren „inneren Eigenschaften“ wie Persönlichkeit, kognitive Leistungsfähigkeit und Anfälligkeit für neurologische und psychiatrische Erkrankungen. Auch unsere Gehirne sind höchst individuell. „Die Frage, wie Neurobiologie und Verhaltensmerkmale zusammenhängen, beschäftigt die psychologische und neurowissenschaftliche Forschung seit Langem. Die KI hat hier zu einem entscheidenden Paradigmenwechsel geführt“, sagt Prof. Dr. Simon Eickhoff.

 

Ein Blick in die Zukunft: KI ermöglicht eine individuelle Diagnose

In der Vergangenheit wurden vor allem Unterschiede von Patientengruppen im Vergleich zu gesunden Kontrollgruppen sowie die Assoziation von kognitiven und affektiven Merkmalen mit neurobiologischen Markern untersucht. Solche „Biomarker“, also z. B. Eiweiße, Hormone oder andere Merkmale, die man im Blut oder anderen Körperflüssigkeiten bestimmen kann, lassen jedoch keine individuellen Rückschlüsse auf einzelne PatientInnen oder ProbandInnen zu und sind deshalb in der Praxis nur begrenzt einsetzbar. „KI verändert das heutige Wissen rasant. Neue Verfahren ermöglichen es, auf Basis von MRT-Bildern individuelle Aussagen über Diagnosen, kognitive Leistungen und Persönlichkeitsmerkmale zu treffen“, betont Prof. Eickhoff. Statt wie klassische Verfahren Aussagen über die untersuchte Stichprobe oder Gruppe zu treffen („within sample statistics“), liegt der Fokus auf der Identifikation von Mustern, die auf neue einzelne Patientenfälle verallgemeinert bzw. übertragen werden können.(2) Die Kernidee dieses Ansatzes besteht darin, den entsprechenden Algorithmus auf einer großen Anzahl von Probanden- oder Patientendaten zu trainieren, deren MRT-Bilder und Zielvariablen (z. B. Diagnose, Langzeitverlauf, Neuropsychologie) bekannt sind. Die KI lernt dabei, hochdimensionale Zusammenhänge zwischen Neurobiologie und Verhalten zu klassifizieren. So wird die Generalisierung auf andere Personen kontinuierlich optimiert. Nach dem abschließenden Training kann der Algorithmus zuverlässige individuelle Aussagen über bisher unbekannte ProbandInnen treffen. Im Gegensatz zu klassischen Biomarkern erlauben KI-basierte Verfahren somit realitätsnahe Aussagen über einzelne Patientinnen und Patienten.

Großes Potenzial für frühe Diagnose und individuelle Prognose

„Das Potenzial dieser Ansätze ist enorm. Wir können damit Routineaufnahmen computergestützt auswerten, aber auch neurologische und psychiatrische Erkrankungen objektiv und frühzeitig diagnostizieren, bis hin zur individuellen Prognose- und Verlaufseinschätzung“, ist Prof. Eickhoff überzeugt. Umfangreiche und dadurch für die ProbandInnen anstrengende neuropsychologische Testreihen können durch eine kurze Bildgebung mit KI-Auswertung ersetzt werden. Dies ermöglicht eine objektive klinisch-neuropsychologische Charakterisierung. Subjektive Einflüsse auf klinische Entscheidungen entfallen, wodurch die Reproduzierbarkeit der Beurteilungen deutlich erhöht wird. Dank KI wird es in der Neurobiologie möglich sein, Krankheitsverläufe und Entwicklungen frühzeitig abzuschätzen, die phänotypisch noch nicht sichtbar sind.

Warum die Grenzen der Technologie transparent gemacht werden sollten

Wie bei jeder neuen Entwicklung gibt es auch bei diesen KI-basierten Verfahren Grenzen, die vor einer breiten Anwendung untersucht werden müssen. Dies betrifft zum einen mögliche technische Einflussfaktoren und Verzerrungen. So können z. B. soziodemographische Parameter zu einer schlechteren Generalisierbarkeit auf andere Kontexte führen. Im schlimmsten Fall werden dadurch Minderheitengruppen unbeabsichtigt diskriminiert. Zum anderen sind ethische, rechtliche und soziale Aspekte zu klären. Dazu gehören auch Fragen der Akzeptanz, des Vertrauens und der Kontrolle durch die Patientinnen und Patienten [2,3].

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, verfolgt das Institut für Neurowissenschaften und Medizin-7 (INM-7) am Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit dem Institut für Systemische Neurowissenschaften der HHU Düsseldorf eine integrative Strategie. Teams aus den Bereichen Data Science, Neurowissenschaften und Ethik arbeiten gemeinsam an einer leistungsfähigen und sicheren KI für die individualisierte Diagnostik. Denn KI muss „vertrauenswürdig“ sein, wie es die europäische Expertengruppe Künstliche Intelligenz 2019 in ihren ethischen Leitlinien formuliert hat [4].

Literatur

[1] Nostro AD, Müller VI, Varikuti DP et al. Predicting personality from network-based resting-state functional connectivity. Brain Structure and Function 2018;22:2699-2719. www.link.springer.com/article/10.1007/s00429-018-1651-z
[2] Eickhoff SB, Heinrichs B. Der vorhersagbare Mensch. Nervenarzt 2021:1-8. www.doi.org/10.1007/s00115-021-01197-8
[3] Eickhoff SB, Langner R. Neuroimaging-based prediction of mental traits: Road to utopia or Orwell?  PLoS Biol 2019;17(11):e3000497 www.journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.3000497
[4] European Commission. Ethics guidelines for trustworthy AI. EPORT / STUDY | Publication 08 April 2019. www.digital-strategy.ec.europa.eu/en/library/ethics-guidelines-trustworthy-ai

Kontakt zur Pressestelle der DGKN

Sandra Wilcken, c/o albertZWEI media GmbH, Tel.: +49 (0) 89 461486-11, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Hinweis für die Presse

Der DGKN-Kongress für Klinische Neurowissenschaften findet vom 6.–9. März 2024 in Frankfurt statt. Alle Informationen zum Programm und zur Registrierung gibt es auf www.kongress-dgkn.de.
Informationen zur Online-Pressekonferenz anlässlich des DGKN-Kongresses finden Sie hier: www.dgkn.de/presse. JournalistInnen können sich kostenlos für den DGKN-Kongress registrieren.
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Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) e.V. vertritt die Interessen von MedizinerInnen und WissenschaftlerInnen, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Die wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft mit über 4.000 Mitgliedern fördert die Erforschung von Gehirn und Nerven, sichert die Qualität von Diagnostik und Therapie neurologischer Krankheiten und treibt Innovationen auf diesem Gebiet voran. Sie ist aus der 1950 gegründeten „Deutschen EEG-Gesellschaft“ hervorgegangen. www.dgkn.de