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In Deutschland leben fast 1,6 Millionen Demenzkranke; zwei Drittel von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Wenn Alzheimer früh diagnostiziert wird, kann eine individualisierte Therapie das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen – und den Zustand der Patienten verbessern. Aktuelle Studien zeigen, dass die Vermessung bestimmter Gehirnregionen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) bei Patienten mit Gedächtnisstörungen eine mögliche Alzheimer-Demenz vorhersagen kann und sich das Verfahren damit zur frühen Diagnostik eignet. Auf der Jahres-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) am Donnerstag, den 15. März 2018 in Berlin diskutieren Ärzte und Neurowissenschaftler über den Einsatz von automatisierten MRT-Untersuchungen in der Alzheimer-Diagnostik.

„Mit der Vermessung der Hirnareale, die für die Gedächtnisleistung zuständig sind, kann das Auftreten einer Alzheimer-Demenz bei älteren Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen in den nächsten drei Jahren mit einer Genauigkeit von 70 Prozent vorhergesagt werden“, fasst Professor Dr. med. Stefan Teipel, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Universitätsmedizin Rostock, die Ergebnisse mehrerer großer Studien zusammen. „Solche Vermessungen mittels MRT können dank automatisierter Programme in wenigen Sekunden durchgeführt werden. Zudem liegen große Datenbanken von Vergleichsdaten vor, um individuelle Abweichungskarten und Risikoprofile zu erstellen“, erklärt der Psychiater. Die Anwendung solcher Verfahren ist daher bereits Gegenstand einer spezialisierten Diagnostik in universitären Memory-Kliniken.

Alzheimer ist die häufigste Ursache für eine Demenzerkrankung im Alter – wird diese erkannt, können eine spezifische symptomatische Therapie eingeleitet und frühzeitig die richtigen Weichen für die Versorgung gestellt werden. „Im aktuellen Versorgungssystem wird eine Demenzerkrankung allerdings in weniger als 50 Prozent der Fälle diagnostiziert. Ein Grund hierfür sind fehlende breit verfügbare diagnostische Ansätze“, so Professor Agnes Flöel, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Greifswald und Präsidentin der DGKN.

Seit vielen Jahren werden bereits bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie eingesetzt, um Ursachen wie Schlaganfälle, Hirntumore oder erhöhten Hirndruck für eine Demenzerkrankung auszuschließen. Ältere Personen mit Gedächtnisstörungen zeigen bereits ein verändertes Volumen bestimmter Hirnregionen, wenn bei ihnen ein erhöhtes Alzheimer-Risiko besteht, auch wenn sie im Alltag noch keine Einschränkungen erleben.

Die neuen bildgebenden Verfahren sind zwar noch vielversprechend, sollten allerdings nur eingeschränkt angewendet werden. „Diese Verfahren kommen nur für Personen in Betracht, die bereits Gedächtnisbeschwerden aufweisen. Eine Anwendung als bloßes Screening-Instrument für Personen ohne kognitive Einschränkungen außerhalb von Forschungsprojekten ist aktuell klar abzulehnen“, so Teipel. Gründe hierfür seien die unzureichende individuelle Aussagekraft bei unbeeinträchtigten Personen und die fehlende Behandlungskonsequenz außerhalb klinischer Studien.

MRT-Untersuchungen und automatisierte Analyseverfahren stehen in Deutschland grundsätzlich breit zur Verfügung, weshalb das Verfahren auch für den Einsatz in der Routinediagnostik in Frage kommt. Offen ist, ob auch ältere Personen aus primärärztlicher Versorgung von diesem Verfahren profitieren. Das DZNE Rostock/Greifswald hat hierzu eine Versorgungsstudie durchgeführt und kam zu folgendem Ergebnis: Wenn die Volumenmessung bei älteren Patienten mit Gedächtnisstörungen durchgeführt wird, die hausärztlich versorgt wurden, hat das Verfahren nur einen geringen diagnostischen Nutzen. Sollte sich dieser Befund jedoch in weiteren Studien bestätigen, ergibt sich hieraus der dringende Bedarf, Marker der Alzheimer-Demenz – einschließlich Markern aus der MRT-Untersuchung – nicht nur in spezialisierten Stichproben, sondern auch in Stichproben aus der allgemeinen Versorgung zu prüfen. Dies soll sicherzustellen, dass neue diagnostische Verfahren auch in der Routineanwendung die wirklich betroffenen Personen identifizieren.

„Eine zuverlässige Frühdiagnose der Alzheimer-Krankheit in der Breite der Versorgung würde einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die gegenwärtig noch unzureichende Versorgung älterer Patienten mit kognitiven Einschränkungen zu verbessern“, resümiert Teipel.

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